Brauhausgasse

 

Direkt neben der Gemeindeschänke gelegen, verbindet die Brauhausgasse, in der Mundart "Brausgasse" genannt, die Hauptstraße mit der Landstraße. Der Bach, der direkt hinter dem Grundstück der Gemeindeschänke fließt, wird von einer schmalen Brücke überspannt. Die Brauhausgasse selbst verfügt auf  dem Teil, das unmittelbar an das Schänkengrundstück grenzt, über weitaus mehr Breite als nach der Überquerung des Baches in Richtung zur Landstraße. Neben dem Schänkengebäude ist die Brauhausgasse so breit, dass ein Fuhrwerk dort hindurchfahren kann, nach der Brücke verjüngt sie sich zu einem „Gässchen“, das nur Fußgänger benutzen können.

 

Der Name der Gasse weist darauf hin, dass in  Badra wohl seit dem ausgehenden Mittelalter Bier in einem Brauhaus gebraut wurde. Anfänglich wurde wahrscheinlich in den Häusern Bier gebraut, denn bis zum 16. Jahrhundert gehörten Brauereiutensilien  zur Aussteuer, das Bierbrauen war eine reine Frauensache. Da, wo Klöster existierten, wurde häufig dort das Bier gebraut, denn es war ein Teil der täglichen Nahrung.

Aber wahrscheinlich wurde in Badra bereits recht früh ein Brauhaus errichtet und das Braurecht von einem Brauer ausgeübt. Genaue urkundliche Angaben darüber existieren nicht, aber in einer handschriftlichen Aufzeichnung des Landwirtes Ferdinand Koch, geboren 1865, wird dargelegt, dass das Brauhaus 1455 vom Grafen Günther von Schwarzburg erbaut worden sei. Als Brauer wird von ihm ein Johann Bischof benannt, der gegenüber der Pfarre wohnte. Die Brauer hätten jeden Schänkenpächter beliefert.  Das würde bedeuten, dass  dem Brauhaus ein Dorfgasthaus angeschlossen war, das von der Gemeinde verpachtet wurde. Damit wäre die Gemeindeschänke das älteste Gasthaus unserer Gemeinde.

 

Da in Sondershausen 1529 „ eine streng zu handhabende Brauordnung…dass das hier gebraute Bier auch gehaltvoll sei“ erlassen wurde, also ein „Reinheitsgebot“ für die Unterherrschaft, wird das auch für das Brauen in Badra zutreffend gewesen sein.

 

Apfelstedt vermerkt in seiner „Heimathskunde“ 1854:  „ …das hiesige Brauhaus ist Eigenthum der Gemeinde".

In der „ Ortschronik der Pfarrer von Badra“ erscheint für das Jahr 1829 der Eintrag, dass in diesem Jahr „… auch eine neue Schenke von hiesiger Kommune erbaut“ und am Michaelistag, also am 29. September, eingeweiht wurde. Der Neubau mit der entsprechenden Inneneinrichtung soll die Gemeinde mehr als 2000 Reichstaler gekostet haben.

 

 

In Badra wurde nach dem regulären Bier noch ein sogenanntes „Konventbier“ gebraut.Das geschah zunächst im Brauhause und zwar so, dass man auf die Biertreber noch einmal Wasser schüttete und nach einigen Tagen Hefe zusetzte und das Gebräu gären ließ. Das Konventbier war billig, aber ein erfrischendes Getränk. Es wurde gekauft und auf Steingutflaschen gefüllt. Es hielt sich, im kühlen Hauskeller gelagert, eine gewisse Zeit.

 

Bis 1864 soll im hinter der Schänke gelegenen Brauhause Bier gebraut worden sein. Das Bierbrauen wurde wahrscheinlich eingestellt, weil das Lagerbier in den Handel kam und im Preis und in der Qualität wohl besser war. Zudem war das Brauen auch von äußeren Faktoren beeinflusst. Der Brauer sagte dazu: „Backen und Bierbrauen gerät nicht alle Tage.“ Zog ein Gewitter herauf, hackte man eine Sichel über das Gefäß, damit das Getränk genießbar blieb. Auch im Brauhause versuchte man auf diese Weise, Güte und Geschmack des Biers zu erhalten, weil ein Gewitter sich häufig ungünstig auf die Qualität des Bieres auswirkte.

 

Eine Art Konventbier soll aber weiterhin in den Haushalten produziert worden sein.

Für die Herstellung wird folgendes „ Rezept“ angegeben:

Eine bestimmte Menge Gerste kam in eine „ Gelte“ (Gefäß für Flüssigkeiten). Mit Wasser bedeckt und zugedeckt, begann die Gerste bald zu keimen. Nun trocknete man sie auf dem Ofen, sie wurde „ dürr gemacht“ , sodass man sie schroten konnte und das sogenannte Malzschrot entstand. Das Malzschrot wurde in einer Pfanne mit Wasser angerührt und im Backofen braun gebacken. Die Pfanne samt Malzschrot kam in eine „Stunze“ ( rundes hölzernes Gefäß mit drei Beinen und Holzhahn ). Entsprechend der gewünschten Stärke füllte man Wasser auf.

 

Nach heute nicht mehr belegbaren Angaben soll „ Im Kietel“ , im ehemaligen Karthäuserschen Gehöft,  auch ein Brauhaus existiert haben. Ob dieses Brauhaus nur ein familiäres Unternehmen für den Eigenbedarf  oder ein gewerblicher kleiner Betrieb war, lässt sich nicht feststellen.

Möglicherweise ist diese Erinnerung aus der Familie Bischof ein Beleg dafür, dass in einzelnen Gehöften nach wie vor eigenes Bier gebraut wurde, zumal mit der Bereitstellung von Flaschenbier das Brauhaus hinter der Schänke seine Tätigkeit eingestellt hatte.

 

1929 wurde an die Gemeindeschänke noch ein neuer Saal angebaut, der für eine Dorfschänke sehr geräumig war und genügend Platz für die gesamte Einwohnerschaft bot. Der im  Gebäude der Gemeindeschänke vorhandene Saal genügte den Ansprüchen nicht mehr, wahrscheinlich sowohl hinsichtlich seiner Größe als auch in Bezug auf die Möglichkeiten der Nutzung. In der Ortschronik der Pfarrer von Badra findet sich dazu folgender Eintrag: „Der Saal der Gemeindeschänke war schon seit langem unzureichend.Die Gemeindebehörden beschlossen einen Saalneubau, kauften von Paul Teichmanns Erben das der Schenke schräg gegenüberliegende Hausgrundstück Nr. 44, übereigneten dasselbe dem Landwirt Albert Henning und erhielten dafür von diesem das Hausgrundstück Nr. 45, auf dem der Saal errichtet wurde. Die Kosten für den Erwerb ( Kauf und Tausch ) des Bauplatzes und die Baukosten beliefen sich auf insgesamt 80 000 Reichsmark… am 17. September 1928 war der Grundstein gelegt worden, fast genau ein Jahr später, nämlich am 29. September 1929, fand die Einweihung des Saalneubaus statt….100 Jahre nach dem Neubau der Schänke.“

 

Für die Lagebestimmung des ehemaligen Brauhauses lässt sich auch aus diesen Angaben  schlussfolgern, dass es hinter dem alten Gebäude der Schänke gelegen hat. Mündliche Angaben von Frau Melitta Koch, geboren 1923, die sich noch gut an das alte Brauhaus erinnern kann, bestätigen dies. 1929 war es nur noch als zerfallendes Gebäude erkennbar und wurde in den nächsten Jahren völlig abgerissen.

 

Außer der Gemeindeschänke existierten in Badra mehrere Gasthäuser, an die sich heute nur noch die älteren Bürger erinnern.

Eines der ältesten Gasthäuser dürfte das gewesen sein, das sich auf dem Gelände des Grundstücks von Dieter Mienert  „ Am Plan“ befand. Hier soll nach mündlichen uns schriftlichen Überlieferungen auch eine Ausspanne neben dem Gastwirtschaftsbetrieb vorhanden gewesen  sein. Familie Hanna und Heinz Neidhold bewahrt bis heute die fürstlichen Urkunden auf, die ihren Vorfahren das Betreiben der Gaststätte erlaubten und die daran geknüpften Bedingungen beinhalten.

Eindeutig belegt ist der Neubau des „Gasthofs zur Linde“ durch Louis Koch  im Jahre 1859 an der neu entstandenen Staatsstraße, die von Sondershausen bis an die preußische Grenze im Kelbraer Feld führte. Dieses Gasthaus existierte über 100 Jahre und war der Ort vieler Dorffeste, da es auch über einen Tanzsaal verfügte. Frau Melitta Koch, deren Vorfahren den Gasthof erbauten, erinnert sich bis heute an viele Details des Gastwirtschaftsbetriebes und an das Bierbrauen im Brauhaus der Gemeindeschänke.

In der Landstraße gab es „ Treuters Gasthof“, der bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bewirtschaftet wurde. Angaben zur Gründung sind nicht bekannt.

 

Während die Gemeindeschänke bis heute besteht und seit 1829 mehrfach saniert, renoviert und baulich den modernen Anforderungen an eine Gaststätte angepasst wurde, verschwand das Brauhaus, die Ruine wurde abgetragen. Nur der Name der Brauhausgasse erinnert heute noch daran, dass in Badra bis vor etwa 150 Jahren Bier gebraut wurde und bewahrt diese Tatsache vor dem Vergessen.

Ich bedanke mich bei Frau Melitta Koch  und Herrn Heinz Bischof für die Hinweise zu diesem heimatgeschichtlichen Thema. Weitere Informationen und Hinweise sind mir immer willkommen.

 

Annerose Billert
Badra (Dezember 2018)

 

 
 
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